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Interview mit Eastern Front (23.12.2010)
Neben WINTERFYLLETH konnte eine weitere englische Black Metal-Band in 2010 nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Die Rede ist von EASTERN FRONT, die mit ihrem Debütalbum "Blood On Snow" ein deutliches Ausrufezeichen gesetzt haben und beweisen, dass mit Black Metal aus dem Vereinigten Königreich verstärkt zu rechnen ist. Im Gespräch mit den beiden Gitarristen Krieg und Holocaust geht es natürlich um das Konzept, das die Band verfolgt und auch die sehr unglücklich scheinende Wahl ihrer Pseudonyme erklären die beiden ausführlich.
Hallo und herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Debütalbum. Ich nehme an, ihr seid ebenfalls zufrieden mit "Blood On Snow"?
Holocaust und Krieg: Ja, das Album hat unsere Erwartungen übertroffen, die ganze Arbeit, die wir in das Album gesteckt haben, inklusive der Aufnahmen in Andy LaRocques Sonic Train Studios in Schweden hat sich sicherlich ausgezahlt. Wir sind sehr glücklich mit dem Ergebnis und sind ebenfalls erfreut, dass Candlelight Records es uns ermöglicht haben, ein 16-seitiges Booklet zu erstellen, das alle Texte enthält. Das war uns wichtig, weil wir es dem Hörer ermöglichen wollen, tiefer in unsere Musik und das Thema einzutauchen.
Schaut man sich das Albumcover an, so fühlt man sich zunächst an Marduks "Panzer Division Marduk"-Album erinnert. War das Absicht?
Krieg: Wir haben als Band entschieden, dass wir ein Bild wollten, das weniger brutal ist, als nur tote Körper oder einen Panzer frontal zu zeigen, weil wir wussten, dass es das auch schon gab. Wir wollten ein Bild, dass eine Ahnung von dem, was passieren sollte, vermittelt. Einen deutschen Panzer auf dem Cover zu haben wäre dem Marduk Album zu ähnlich gewesen, aber mehr als das wollten wir, dass die Leute direkt sehen, das es ein sowjetischer Panzer ist und somit jegliche Gefolgschaft von NSBM-Anhängern abzuweisen.
Damit wären wir direkt bei einem heiklen Thema. Eure Pseudonyme fallen sofort auf und passen sicherlich ins Konzept. Aber besonders in Deutschland kann ein Name wie "Holocaust" Problem verursachen. Die Leute könnten EASTERN FRONT vorschnell in die NSBM-Schublade stecken. Was habt ihr euch also bei der Wahl der Pseudonyme gedacht?
Holocaust und Krieg: Wir sind uns bewusst, dass ein paar Leute aufgrund unserer Thematiken mit dem Finger auf uns zeigen könnten und uns entweder als Nazis oder Kommunisten abstempeln können, ohne sich mit der Band beschäftigt zu haben. Deshalb haben wir klare Erklärungen auf unseren Webseiten und Statements, die erläutern, worum es uns geht und klar machen, das wir eine unpolitische Band sind. Wir schreiben über die sowjetischen und deutschen Kampagnen an der Ostfront, deshalb wollten wir Pseudonyme, die besser zu einer Black Metal-Band, die sich mit diesem Thema beschäftigt, passen. "Holocaust" ist natürlich ein gefährlicher Name, weil der erste Gedanke, den man bei diesem Namen bekommen kann, der an Konzentrationslager und Völkermord ist. Es scheint, als würden sich die Leute nur an diese Bedeutung des Wortes entsinnen, obwohl das Wort auch totale Verwüstung oder Zerstörung bedeutet, was eines der Dinge ist, die wir im Sound unserer Musik erfassen wollen, eben im Hinblick auf die Verwüstungen, die an der Ostfront verursacht wurden.
Der Holocaust ist darüberhinaus eines der schockierendsten Ereignisse in der Geschichte und sollte nicht in Vergessenheit geraten, wir hoffen also, die Menschen durch die Verwendung des Wortes als Pseudonym an dieses tragische Ereignis zu erinnern und seiner Opfer zu gedenken. Wir haben alle Namen gewählt, die als Synonym für die brutalste Kampagne im Zweiten Weltkrieg – die Ostfront – stehen. Wir versuchen, nicht respektlos zu sein oder Loyalität für eine der Seiten zu zeigen, wir versuchen vielmehr, philosopisch zu sein und durch das Medium der Black Metal Musik einen Sinn für Geschichte zu wecken. Unser Sänger "Nagant" wurde nach dem berühmten russichen Gewehr "Mosin Nagant" benannt, das sollte ebenfalls zeigen, dass wir uns auf keine der beiden Seiten stellen.
Alle Mitglieder der Band reisen gern in andere Länder und mögen es, Menschen aus verschiedenen Kulturen zu begegnen und haben in keiner Weise die engstirnigen Ansichten von typischen NSBM-Anhängern. Wir leben ja im UK, das für seinen Multikulturalismus bekannt ist, es wäre also total absurd, irgendwelche rassistischen Meinungen zu vertreten, wenn man unter so vielen verschiedenen Kulturen aufgewachsen ist und Freunde und Partner verschiedener Abstammungen hat.
Deutliche Worte, die jegliche Vorverurteilung untersagen. Euer ganzes Konzept erinnert mich ein wenig an HAIL OF BULLETS, die beschäftigen sich ja auch mit Themen des Zweiten Weltkriegs in ihren Texten. Seht ihr da selber Ähnlichkeiten oder verfolgt ihr einen anderen Ansatz?
Krieg: EASTERN FRONT hatten sich schon formiert und die "Promo 2007" CD herausgebracht, bevor HAIL OF BULLETS sich formiert oder irgendwelche CDs veröffentlicht haben, wir wussten also erst nichts von ihrer Existenz. Wir denken aber, dass es gut ist, dass sie die gleiche Leidenschaft wie wir teilen. Einer ihrer Songs, "Nachthexen" handelt von einem Thema, über das ist ebenfalls gelesen habe und einen Song machen wollte aber das ist jetzt erstmal hintenan gestellt. Der Unterschied zwischen EASTERN FRONT und HAIL OF BULLETS ist der, dass wir uns hauptsächlich auf die Kampagnen der Ostfront fokussieren, während HOB sich scheinbar nicht auf ein bestimmtes Thema des Zweiten Weltkriegs beschränken, zumal ihr neues Album sich ja auf das Ereignisse in Japan bezieht.
Was findet ihr allgemein und persönlich so interessant an diesem großen Thema?
Krieg: Heutzutage ist es unbegreiflich, dass Millionen von Menschen an der Ostfront gekämpft haben, vor allem wenn man bedenkt, dass das ja nur ein Teil des gesamten Zweiten Weltkriegs ist. Es ist einfach überwältigend. Wäre ich zu einer anderen Zeit in Deutschland oder Russland geboren, hätte ich kein umfassenderes Bild, an das ich glauben könnte als das, was mein Land mir erzählt. Propaganda kann sehr schnell gefährlich werden, es gibt so viele verschiedene Bücher und Memoiren, die man lesen kann und je mehr man liest, desto interessierter und neugieriger wird man. Es ist zum Beispiel interessant, herauszufinden, dass Rumänien die meiste Zeit an der Seite von Deutschland gekämpft hat und erst zum Ende des Kriegs hin die Seite gewechselt hat.
Heutzutage kennt jeder den Krieg im Irak und die Kämpfe zwischen den shiitischen und sunnitischen Moslems, aber kaum jemand weiß, dass sie gemeinsam an der Ostfront gekämpft haben. Viele von ihnen wurden aus russischen Kriegsgefangenenlagern geholt, um dann für die deutschen Truppen zu kämpfen. Die emotionale Seite und die persönlichen Gefühle zu dieser Zeit, die Strategien der verschiedenen Armeen, die Entwicklungen der Ausrüstung und das Leiden der Millionen haben alles ihre eigenen Geschichten zu erzählen…
Ok, dann lasst uns jetzt mal über die Musik sprechen. Seht ihr euch mehr als Black Metal oder als Death Metal-Band? In euren Songs gibt es da nämlich oft fließende Übergänge zwischen den Genres.
Holcaust: Wir sind primär eine Black Metal-Band, experimentieren aber gern mit verschiedenen Genres um unterschiedliche Atmosphären in unseren Songs zu erschaffen. Am besten umschreibt man unseren Sound mit "brutaler, atmosphärischer Black Metal mit Elementen aus Oldschool Death Metal, Doom und Folk". Wir denken, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns selber keine Grenzen setzen, eben um verschiedene Stimmungen und Gefühle zu erzeugen. Daraus folgt dann, dass unsere Musik in verschiedene Genres fließt, wobei die Basis immer traditioneller Black Metal bleibt.
Krieg an sich ist eine sehr brutale Sache, eure Musik hingegen ist nicht nur brutal. Es finden sich viele melodische, atmosphärische und akustische Elemente in euren Songs wieder. Welche Bedeutung haben diese Elemente in eurem Konzept?
Holocaust: Wir schreiben gern Songs, die die Erfahrungen einer Schlacht heraufbeschwören und den Sound davon einfangen, wie es ist, an der Front zu stehen, diese Songs sind dann schneller und brutaler. Wir schreiben aber auch Songs, die aus einem eher persönlichen und emotionalen Blickwinkel sind und die Gefühle der Soldaten und ihrer Familien zu Kriegszeiten einfangen. Das beinhaltet eine Reihe von Gefühlen, angefangen bei Hoffnung, Stolz, Kameradschaft und Sieg bis hin zu Not, Einsamkeit und Trauer. Durch die Verwendung von akustischen Gitarren, Violinen, E-Bow, Piccolo Snares, Kriegssamples und dadurch, dass wir uns nicht selbst limitieren, was die Verwendung von verschiedenen Genres in unseren Songs angeht, erreichen wir eine größere Spannweite an Dynamik, um diese Gefühle zu erschaffen und es hilft uns auch, eine Atmosphäre zu erschaffen, die der Zeit und der der Orte, über die wir schreiben, entspricht.
Abgesehen vom sehr guten Songwriting gefiel mir auch die Tatsache, dass die Produktion sehr kraftvoll geworden ist und viel Druck hat, ohne steril oder klinisch zu klingen. Wie wichtig ist es euch, einen so guten Sound zu haben? Viele andere Black Metal-Bands bevorzugen ja eher eine rohere Produktion.
Holocaust: Wir haben gemerkt, dass es für uns sehr wichtig ist, eine starke Produktion zu haben, um die verschiedenen Dynamiken in den Songs einzufangen und die Elemente aus Death, Doom und Folk herauszuarbeiten. Wir haben sehr eng mit Anders Backelin (LORD BELIAL) zusammen gearbeitet, der das Album mit uns in den Sonic Train Studios produziert hat, um den Sound, den wir wollten, zu bekommen. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet und sind alle extrem stolz auf den finalen Sound, den wir erschaffen haben.
Und wie kam es zu der Kooperation mit ANATHEMAs Les Smith?
Krieg: Les Smith war Mitglied bei CRADLE OF FILTH und wohnte in der gleichen Stadt wie COF und wir, in Ipswich. Deshalb ist er ein alter Freund von uns. Ich unterhielt mich mit Les und Brian Moss (DFA) über die Band und ob sie so nett wären, etwas zum album beizusteuern. Wir wollten keinen regulären Keyboarder in der Band, deshalb dachten wir, dass es eine gute Möglichkeit wäre, mit diesem einen Track "Dvenadtzat Kilometrov ot Moskvy" zusätzliche Atmosphäre zu schaffen. Beide zeigten großes Interesse an EASTERN FRONT und wollten deshalb auch dabei sein. Sie sind sehr beeindruckt vom Endergebnis und sind auch damit einverstanden, weitere Songs mit uns zu machen. Darauf freuen wir uns alle und das wird hoffentlich kontinuierlich auf unseren weiteren Alben fortgeführt.
Ihr seid in der Heimat bereits recht erfolgreich, jedenfalls sagt das der Promozettel. Wie sieht also euer Masterplan für den weltweiten Erfolg aus? Wie steht es um Touren außerhalb von England?
Holocaust und Krieg: Wir würden EASTERN FRONT liebend gerne in so viele Länder wie möglich bringen. In den zwei Jahren, in denen wir als Liveband aktiv sind, haben wir schon Shows in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, der Slowakei, Slowenien und Serbien gespielt, das war auf der "The Black Curse Over Europe Tour 2008" mit LORD BELIAL und GRAVEWORM. Wir wurden dann zurück nach Rumänien eingeladen, um ein Festival in Bukarest zu headlinen und kürzlich haben wir auf Kreta in Griechenland gespielt, wo wir W.A.S.P. und ORANGE GOBLIN beim Chania Rock Festival 2010 supportet haben. Im November kehren wir nach Rumänien zurück, um Shows in Bukarest und Cluj-Napoca zu spielen und von da aus versuchen wir, noch mehr Shows in Europa zu spielen. Wir suchen nach einer guten Booking Agentur, die uns für Länder bucht, in denen wir noch nicht gespielt haben und haben uns auch schon mit Promotern darüber unterhalten, nächstes Jahr in Deutschland zu spielen.
Eine weitere gute englische Black Metal-Band, die dieses Jahr ein sehr gutes Album aufgenommen hat, sind WINTERFYLLETH. Denkt ihr, dass die englische Black Metal-Szene derzeit wächst und stärker wird?
Holocaus: Der U.K.-Black Metal hat sich in den letzten Jahren entwickelt und es gibt ein paar tolle Bands hier. Die Szene ist aber immer noch sehr klein, verglichen mit anderen Ländern in Europa, auch weil viele Bands hier gar nicht live spielen oder wenn, dann nur ein paar Mal im Jahr. Wir sind eine der wenigen U.K.-Black Metal Bands, die darauf gedrängt haben, ihre Musik auch ins Ausland zu bringen und unseren Black Metal in anderen Ländern zu präsentieren und damit machen wir auch weiter und hoffen, andere Bands ermutigen zu können, das auch zu tun. Die Black Metal-Szene hier als solches ist sehr seltsam, weil viele Fans in England nicht die Eigengewächse unterstützen wie in anderen Ländern und stattdessen Bands heruntermachen, die es wagen, den Kopf aus dem Graben zu heben und sich bemühen, auf größeren Konzerten und Festivals zu spielen. Es ist zu hoffen, dass sich das im Laufe der Zeit ändert, weil es viele großartige Bands hier gibt, die es wert sind, dem Rest der Welt gezeigt zu werden. Candlelight Records haben die Szene hier bislang sehr gut unterstützt und es ist toll, dass sie Bands wie uns so fördern.
Ihr habt euch vor einiger Zeit mit anderen Bands zusammen getan, um einen Weihnachtssong für das Terrorizer Magazin zu machen. Was war der Hintergrund zu so einer witzigen Sache?
Holocaust: Unsere Labelkollegen THE MEADS OF ASPHODEL haben diesen Song mit mit Titel "Song Of A Hundred Roars" geschrieben, um die U.K.-Black Metal Szene zu vereinen. Sie sind sehr bekannt dafür, verrückte Coverversionen zu machen und das war eine weitere Idee von ihnen. Sie haben die Musik geschrieben, die weitestgehend auf Weihnachtsliedern basiert und haben dazu einen anti-weihnachtlichen Text gemacht. Wir haben mit 28 weiteren UK-Metalbands ein paar Schreie und Gebrüll beigetragen, ein paar Leute, die für den Terrorizer arbeiten, sind auch daran beteiligt. Das Ergebnis ist jedenfalls sehr interessant und ziemlich eindrucksvoll, sicherlich etwas, das in dieser Form zuvor noch nie gemacht wurde. Wenn ihr eine Chance habt, den Song mal zu hören (es gibt ein Video auf Youtube mit einer Liste all der Bands, die mitgemacht haben), dann macht das, aber denkt daran, das es eine Verarschung des christlichen Weihnachtens ist.
Ok, dann danke fürs Beantworten meiner Fragen, die letzten Worte gehören euch.
Holocaust und Krieg: Danke für das Interview und für die Unterstützung für EASTERN FRONT. Denjenigen, die unser/e Name/n und unsere Themen ungemütlich finden, raten wir, unsere Texte zu lesen und sich darüber zu informieren, worum es uns geht und was wir erreichen wollen. Wenn wir dazu anregen können, dass man über die Geschichte des Krieges diskutiert, nachdenkt oder einfach mehr darüber liest, haben wir einen kleines bisschen dazu beigetragen, die Leute daran zu erinnern, mit welchen Verlusten und welchem Leid ihre Vorfahren in jüngster Geschichte zu kämpfen hatten.
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